Der Sabbat als Ruhetag

Warum der Sabbat ein Geschenk ist

Welche Bedeutung hat die Sabbatfeier heute?

Welche Bedeutung der biblische Ruhetag für uns persönlich? Überliefertes bleibt wertvoll, wenn es das Heute bereichert und das Morgen gestalten hilft; sonst wird es museumsreif. Für den Gläubigen geht es also in erster Linie um den inneren Wert der Sabbatstunden. Machen wir uns zunächst mit dem rein Sprachlichen vertraut. Der Ausdruck „Sabbat" kommt im Alten Testament über 100 mal und im Neuen Testament 68mal vor. Was besagt das Wort in seiner ursprünglichen Sinngebung?

„Das hebräische Schabat heißt zunächst ruhen, aufhören oder ablassen von der Arbeit ... Allein das Ruhen, das Ablassen vom Wirken ist nur etwas Negatives, an sich noch nicht religiös, weist nicht auf die Gemeinschaft mit Gott hin; ... auf das Positive einer Zeit heiligen werden wir durch das Wurzelwort schubh, von dem schabat abgeleitet ist, hingeführt; dieses Wurzelwort heißt zurückkehren, besonders in einen früheren Zustand und daher auch soviel als wiederhergestellt werden, wie denn Gesenius in seinem Wörterbuch diese Bedeutung ausdrücklich angibt. Das Aufhören von

etwas ist also nach der hebräischen Anschauung zufolge zugleich ein Rückkehren in einen früheren Zustand; wer von einer Arbeit ablässt, tritt in den Zustand der Ruhe zurück, in welchem er vor Beginn der Arbeit sich befand .. . die Ruhe bewahrt vor dem gänzlichen Versinken in die Zeit und das Zeitliche, sie gewährt dem Menschen Freiheit, zu seinem Schöpfer sich hinzuwenden ... Jede Gotteszeit wird als Ruhezeit, eine Zeit der Rückkehr zu Gott, des Aufschwungs zu Ihm. Ruhe von allen Geschäften forderte das Heidentum für seine Feste keineswegs.

Vom Ursprung her trägt der Sabbat ein Gepräge der Freude. Er sollte die Zeitspanne bleiben, die dem Menschen ungestörte Gottesnähe und auch Gemeinschaft untereinander ermöglichte. Wo diese Ruhezeit lediglich zum Ausschlafen dient, geht man an ihrem eigentlichen Sinn vorbei. Der Gläubige bedarf der Befriedigung seiner leiblichen Bedürfnisse wie auch einer innerlichen Lebenshilfe. Bei der ersten Sabbatfeier schauten die beiden Menschen noch nicht auf eine eigene Arbeitsleistung zurück. Sie ruhten, ohne sich vorher gemüht zu haben. Dadurch wird deutlich, dass der Sabbat ein Geschenk ist. Dem Sinn dieses göttlichen Ruhetages wird man nicht gerecht, wenn man in ihm bloß eine Gelegenheit zu körperlicher Erholung sieht. Die Herauslösung des siebenten Tages aus der Berufsarbeit will vielmehr immer wieder den Zugang zu einer Gottesbegegnung eröffnen. Sie wird dem Gläubigen im Gottesdienst zuteil. Ein Sabbat ohne Ehrung Gottes ist eine Gotteslästerung, denn er setzt das Geschöpf auf den Thron des Schöpfers.

Das Gotteserlebnis am Sabbat

Wie kann also diese Gotteszeit von uns sinnvoll genutzt werden? - Am Tage des Herrn sollen wir Abstand gewinnen von unserm Schaffen und gemeinsam mit anderen Gläubigen Gott anbeten. So wird unser Leben hineingestellt in überzeitliche Zusammenhänge. Die Ruhetagsordnung will uns vor dem sich Verlieren in Unrast und Zeitlichkeit bewahren. Schöpfung und Erlösung werden darin verknüpft. Der Sabbat weist zurück auf das Handeln Gottes am Anfang und richtet gleichzeitig den Blick vorwärts auf die ewige Ruhe einer erneuerten Welt. Der Sabbat „ist zugleich urzeitlich und endzeitlich" (Bienert). Wenn einst Sünde und Tod beseitigt sein werden, wird das unmittelbare Gespräch zwischen Mensch und Gott wieder aufgenommen und ewig fortgesetzt werden. Der Prophet Jesaja schildert im letzten Kapitel seines Buches die Neuordnung von Himmel und Erde und fügt hinzu, dass dann alle Erlösten „einen Sabbat nach dem anderen kommen, anzubeten vor mir, spricht der HERR" (Kap. 66, 22. 23). Damit wird die Gemeinsamkeit, die im Paradies jäh abgebrochen wurde, wieder aufgenommen und für immer beibehalten.

Zeit ist ein kostbares Gut und für uns Menschen nicht unbegrenzt verfügbar. Nur der Ewige bestimmt ihr Maß. Das Leben des Christen ist seit eh und je bedroht durch Gesetzlichkeit. Diese Gefahr besteht natürlich auch bei der Sabbatfeier. Selbstzufrieden oder ängstlich meint mancher, durch fromme Leistungen das Wohlgefallen Gottes erkaufen zu können. Das könnte sogar unbewusst geschehen. Gegen solch eine Veräußerlichung der Frömmigkeit wendet sich Paulus in seiner Kampfschrift an die Galater. Das sollten auch wir bedenken! In der Nachfolge Christi gilt unvermindert der Grundsatz „allein aus Gnaden". Niemand kann sich das Heil verdienen; es bleibt ein Geschenk des Himmels. Gute Werke sind eine Frucht des Heiligen Geistes. Die Güte des Heilandes möge uns zu rechtem Gottesdienst im Geist und in der Wahrheit anleiten!

Die christliche Gemeinde am Sabbat

Der Sabbat trägt schließlich noch in einem weiteren Sinn Gemeinschaftscharakter. Wochentags betet der Christ meist allein oder hält Andacht im Familienkreise. Im Gottesdienst weilt er als Glied der Gemeinde. Gemeinsam vernimmt er das Wort, vereint wird Christus angebetet, und das Lob Gottes singen die Alten mit den Jungen (Psalm 148, 12). Die Gemeinde als Leib Christi erfleht den Segen des Himmels, und die Gläubigen dienen einander mit den Gaben, die der Auferstandene den einzelnen verlieh. Diese Bruderschaft im Geist stiftete der Herr, damit seine Kinder in der Heiligung wachsen. Ein Christenleben ohne Gemeinschaft vereinsamt, verarmt und bleibt unfruchtbar.

Jesus Christus hat seiner Gemeindeverheißen, dass sie den Tod und auch den Teufel überwinden wird (Matthäus 16, 18). Voraussetzung dafür ist, dass wir seine Einladung annehmen: „Kommt alle her zu mir, die ihr euch abmüht und von der Last gedrückt seid! Ich will euch Ruhe schenken" (Matthäus 11,28 Albrecht). Zum inneren und äußeren Aufbau brauchen wir Frieden mit Gott. Religiöse Betriebsamkeit dagegen kann keine ausgeglichenen mitmenschlichen Beziehungen schaffen. Es genügt auch nicht, dass wir nur einen Bruchteil unserer Zeit für Christus freihalten; das ganze Leben soll ihm geweiht sein. Christliche Heiligung umfasst den Menschen nach Leib, Seele und Geist.

„Es steht mithin dem Volk Gottes noch eine Sabbatruhe in Aussicht. Denn wer zu Gottes Ruhe eingegangen ist, der kommt damit auch zur Ruhe von seinen Werken, wie Gott geruht hat von den seinen. So lasset uns denn Eifer zeigen, in diese Ruhe einzugehen, damit niemand ins Verderben falle und dann ebenso wie jene (im alten Bunde) durch seinen Ungehorsam ein warnendes Beispiel werde!" (Hebräer 4, 9-11 Albrecht) Das alttestamentliche Gottesvolk kam nicht zur Vollendung in der Ruhe. Das lag nicht daran, dass Gott sein Versprechen nicht einlöste, sondern Ungehorsam und Sünde verhinderten den Segen.

Aus der Geschichte lernen heißt die Fehler der Vergangenheit vermeiden. Darum wird die neutestamentliche Gemeinde ermutigt, sich auf die künftige Sabbatruhe (wörtlich: sabbatismos) auszurichten. Sie soll wissen, was ihr Herr für sie vorgesehen hat. Die erlöste Menschheit wird zum ewigen Frieden und zu verklärter Ruhe kommen. Der Sabbat ist Sinnbild dieser Vollendung. Wer von ganzem Herzen nach dem Reiche Gottes trachtet, darf getrost und zuversichtlich sein, diese Ruhe zu erlangen. Wohl ist es nicht immer leicht, im Glaubensgehorsam fest zu bleiben, aber Gottes Segen wird dort spürbar werden, wo wir uns vorbehaltlos der Führung des Herrn Jesus anvertrauen.

Ludwig Martin – 1971 – Dozent am Predigerseminar Friedensau