Der Sabbat als Ruhetag

Warum der Sabbat ein Geschenk ist

Der Sabbat - Ein Denkmal der Erlösung

Die Geschichte der Erlösung beginnt in der Heiligen Schrift mit der Erschaffung unseres Planeten und seiner Geschöpfe, die sich einer ewigen Gemeinschaft mit Gott erfreuen sollten, und endet mit der Verheißung, dass dieser ursprüngliche Plan letztlich doch erfüllt werden wird, wenn Gott "bei ihnen wohnen wird, und sie sein Volk sein werden" (Offenbarung 21,3).

Welche Rolle spielt in diesem göttlichen Plan der Sabbat? Da er der Tag war, an dem Gott zum ersten Mal von seinem schöpferischen Handeln ruhte, um mit seinen Geschöpfen in eine besondere Beziehung zu treten, indem er in menschliche Zeit und in menschlichen Raum eintrat, steht der Sabbat nicht nur am Beginn der Menschheitsgeschichte, sondern er ist zugleich ein Symbol für die endgültige Vollendung. Das entscheidende Handeln Gottes in Schöpfung, Erlösung und in der endgültigen Miederherstellung wird treffend im Sabbat als der ersten göttlichen Einrichtung symbolisiert und gefeiert. In diesem Artikel werden wir uns besonders mit der Bedeutung und Funktion des Sabbats hinsichtlich der Erlösung beschäftigen.

Obwohl der Schöpfungsbericht den Sabbat in erster Linie als eine kosmologische Institution darstellt, durch die Gott seine Fürsorge und seine Zufriedenheit über seine vollendete und vollkommene Schöpfung ausdrückt, kann doch die soteriologische Funktion des Sabbats

bereits im Ansatz erkannt werden. Einige der Verben, die die Einsetzung des Sabbats beschreiben, weisen auf das Erlösungswerk Christi hin: "So vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte, und ruhte  am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hatte. Und Gott  segnete den siebenten Tag und  heiligte  ihn" (1. Mose 2,2+3).

Welches ist die Bedeutung der göttlichen Sabbatruhe? Sie soll uns zunächst einmal offensichtlich darauf hinweisen, dass Gottes ursprüngliche Schöpfung "vollendet" und "getan" war (1. Mose 2,2+3). Es bedurfte keines Entwicklungsprozesses mehr, um Gottes Werk zu verbessern. Sie hat jedoch noch eine tiefere, wenn vielleicht auch nicht so offensichtliche Bedeutung. Indem Gott durch den Sabbat in die menschliche Zeit eintrat, um seinen Geschöpfen nicht nur Gegenständliches, sondern sich selbst zu geben, offenbarte er seine Bereitschaft, menschliche Gestalt anzunehmen, um "Immanuel" zu werden, "das ist verdolmetscht: Gott mit uns" (Matthäus 1,23).

Ein weiterer Zusammenhang hinsichtlich der Erlösung kann in der Zusicherung des göttlichen Segens erkannt werden: "Gott  segnete  den siebenten Tag" (1. Mose 2,3; vgl. 2. Mose 20,11). Im Alten Testament ist der Begriff des Segens sehr konkret und drückt die Verheißung eines erfüllten und reichen Lebens aus (1. Mose 1,22+28; 9,1; 49,22-26; Psalm 133,3). Im Schöpfungsbericht folgt die Segnung des Sabbats auf die Segnung der Tiere (1. Mose 1,22) und des Menschen (1. Mose 1,28). Als der letzte Segen drückt er Gottes letzten und umfassenden Segen über seine vollendete und vollkommene Schöpfung aus. Indem Gott den Sabbat segnete, verhieß er, dass er der Wohltäter der Menschheit sein will, und er sicherte seinen Geschöpfen damit ein erfülltes und reiches Leben zu. Diese sabbatliche Verheißung wurde nach dem Fall des Menschen zum Unterpfand der zukünftigen Erlösung des Herrn.

In ähnlicher Weise enthält auch das "Heiligen" des Sabbats durch Gott (1. Mose 2,3) Anklänge an die Erlösung. Da die Heiligkeit des Sabbats durch die besondere Kundgebung der geheimnisvollen und majestätischen Gegenwart Gottes an diesem Tage bestimmt wird (2. Mose 31,13; Hesekiel 20,20; vgl. Jesaja 1,12-15), verheißt Gott, durch den Sabbat sein Volk mit seiner heiligen Gegenwart zu segnen. Es ist bemerkenswert, dass der erste Tag, den Adam vollständig erlebte, ein Sabbat war, den er nicht damit zubrachte, Gott als den zu bewundern, der schöpferische Wunder vollbrachte, sondern den er in Gemeinschaft mit Gott erlebte. Da Gott durch den Sabbat nicht nur  Erschaffenes, sondern auch seine  Gegenwart verhieß, konnte dieser Tag in angemessener Weise nach dem Sündenfall zur Grundlage und zum Hintergrund für das spätere Heilshandeln Gottes werden.

Nach der Schöpfung stellt das Manna das nächste wichtige Beispiel für die Bedeutung des Sabbats im Hinblick auf die Erlösung dar. In diesem Fall wird der Sabbat nicht als eine kosmische Struktur dargestellt, die die Vollendung und Vollkommenheit der Schöpfung Gottes zum Ausdruck bringt, sondern vielmehr als eine geschichtliche Institution, die dem neuen Volk gegeben worden war, das Gott auf wundersame Weise aus der ägyptischen Gefangenschaft befreit hatte: "Sehet, der Herr hat euch  den Sabbat gegeben" (2. Mose 16,29).

Während der Woche offenbarte sich Gott durch das Wunder des Manna, am Sabbat jedoch durch seine unsichtbare, doch sehr direkte Stimme. Um am Sabbat ohne Ablenkungen das Wort Gottes hören zu können, muss man nach oben und nicht nach unten schauen und sich von den Dingen dieser Welt zurückziehen und sich nur auf der Ebene des Glaubens bewegen. Indem der Sabbat das Volk lehrte, sich in angemessener Weise darauf vorzubereiten, auf das Wort Gottes zu hören und ihm zu vertrauen, wurde dieser Tag in der Mannageschichte das Mittel, durch das die göttlich-menschliche Vertrauensbeziehung wiederhergestellt werden konnte, die durch den Sündenfall und die Gefangenschaft in Ägypten zerbrochen war.

Die Erfahrung des Manna war das Vorspiel der größeren Kundgebung am Sinai, als Gott sich selbst und die Bedeutung des Sabbats offenbarte. An diesem Berg schenkte Gott dem Volk Israel eine umfassendere Manifestation seiner herrlichen Gegenwart und seiner Gebote. Die Bedeutung des Sabbats in diesem Ereignis der Heilsgeschichte wird durch die an der Zahl Sieben orientierten Struktur deutlich, mit der die Dauer der Herrlichkeit Gottes auf dem Berg Sinai beschrieben wird: "Und die Herrlichkeit des Herrn ließ sich nieder auf dem Berg Sinai, und die Wolke bedeckte ihn sechs Tage; und am  siebenten Tag erging der Ruf des Herrn an Mose aus der Wolke" (2. Mose 24,16).

Warum wurde Mose gerade am Sabbat eingeladen, in die herrliche Gegenwart Gottes einzutreten? Enthüllt Gottes Einladung vielleicht das Wesen der göttlichen Sabbatruhe (die im Schöpfungsbericht ein gewisses Geheimnis verbirgt), nämlich als den Tag, am dem Gott in besonderer Weise seine Geschöpfe mit seiner heiligen Gegenwart segnet? Mehrere Elemente der Sinaioffenbarung weisen darauf hin, dass der Sabbat dazu benutzt wurde, um die heilige Gegenwart Gottes zu verkörpern. Gott ruft nicht nur Mose am Sabbat in seine heilige Gegenwart, sondern durch das Sabbatgebot fordert er das ganze Volk auf, seine heilige Gegenwart zu erleben, indem es sich für diesen Tag entsprechend vorbereitet (2. Mose 20,8-10). Außerdem erklärt der Herr auf dem Berg Sinai ausdrücklich, dass der Sabbat ein beständiges Bundeszeichen sei, das daran erinnern soll, "dass ich der Herr bin, der euch heiligt" (2.Mose 31:13).

Diese Segnungen des Sabbats sollten die Israeliten ständig an Gottes Heilshandeln in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erinnern. So betont zum Beispiel das Sabbatgebot nach der Version in 2.Mose 20 deutlich, dass die Ruhe allen gewährt werden soll, einschließlich der Tiere (2. Mose 20,10), damit allen Gliedern der israelitischen Gemeinde die Freiheit von der Gefangenschaft garantiert wird, die erst kurz zuvor durch Jahwe geschenkt worden war. (2. Mose 20,2.) Dieses Motiv der Befreiung wird in der Fassung des Gebotes in 5.Mose 5 noch deutlicher ausgedrückt: "Du sollst daran denken, dass auch du Knecht in Ägyptenland warst und der Herr, dein Gott, dich von dort herausgeführt hat mit mächtiger Hand und ausgerecktem Arm. Darum hat dir der Herr, dein Gott, geboten, dass du den Sabbat halten sollst" (5. Mose 5,15).

Hans Walter Wolff bemerkt deshalb treffend, dass "jeder Sabbat Israel daran erinnern soll, dass Gott ein Befreier ist." Die Befreiung von der Mühsal der Arbeit und von den sozialen Ungerechtigkeiten, die sowohl durch die wöchentlichen als auch durch die jährlichen Sabbate allen Gliedern der israelitischen Gemeinde gewährt wurde, erinnerte nicht nur an die vergangene historische Befreiung durch den Auszug, sondern wies zugleich auf die völlige Erlösung hin, die der Messias eines Tages seinem Volke bringen würde. Das Messianische Zeitalter der Sammlung aller Völker wird in der Tat im Buch Jesaja als die Zeit beschrieben, wenn "alles Fleisch ... einen Sabbat nach dem ändern kommen wird, um vor mir (dem Herrn) anzubeten" (Jesaja 66,23). Die Erfahrung der Sabbatruhe - als "Glück und Stille, als Friede und Harmonie" -, wird häufig sowohl in den prophetischen Schriften als auch in der talmudischen Literatur mit dem Messianischen Zeitalter gleichgesetzt, das gewöhnlich als das Ende der Tage oder als die zukünftige Welt bezeichnet wird.

Dieses zur Zeit Jesu vorherrschende messianische Verständnis des Sabbats im Hinblick auf die Erlösung lässt erkennen, warum Christus in seiner Antrittsrede an einem Sabbat in der Synagoge von Nazareth seine Mission dadurch ankündigte, dass er die Sabbatbotschaft aus Jesaja 61,1+2 (vgl. 58,6) zitierte: "Der Geist des Herrn ist bei mir, darum weil er mich gesalbt hat, zu verkündigen das Evangelium den Armen; er hat mich gesandt, zu predigen den Gefangenen, dass sie los sein sollen, und den Blinden, dass sie sehend werden, und den Zerschlagenen, dass sie frei und ledig sein sollen, zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn" (Lukas 4,18+19). Christi kurzer Kommentar zu diesem Abschnitt ist äußerst bezeichnend: "Heute ist dies Wort der Schrift erfüllt vor euren Ohren" (Lukas 4,21).

Im Lukasevangelium folgen auf Christi erste Ankündigung, dass er der Messias sei (Lukas 4,16-21), zwei Heilungsberichte. Die erste Heilung ereignete sich während eines Sabbatgottesdienstes in der Synagoge von Kapernaum und führte zu der  geistlichen  Heilung  eines von Dämonen Besessenen (Lukas 4,31-37). Die zweite wurde unmittelbar nach dem Sabbatgottesdienst in Simons Haus vollbracht und führte zu der körperlichen Heilung von Simons Schwiegermutter (Lukas 4,38+ 39). Die Heilung verwandelte den Sabbat in einen Freudentag  für die ganze Familie und führte zum  Dienst: "Und alsbald stand sie auf und diente ihnen" (Vers 39).

Auch durch die Heilung des Mannes mit der verdorrten Hand (Matthäus 12,9-21; Markus 6,6-11) verdeutlichte Christus den Wert und Zweck des Sabbats im Hinblick auf die Erlösung. Eine Abordnung der Schriftgelehrten und Pharisäer, die den Krüppel zu Jesus gebracht hatten, versuchten ihn mit der Frage: "Ist's auch recht, am Sabbat zu heilen?" (Matthäus 12,10.) Christus antwortete, indem er zunächst einen Grundsatz formulierte und diesen dann an einem Beispiel erläuterte: "Soll man am Sabbat Gutes tun oder Böses tun, Leben erhalten oder töten?" (Markus 3,4.) Um dieses Prinzip zu erläutern, stellte Christus - nach Matthäus - eine zweite Frage, die ein konkretes Beispiel enthielt: "Welcher ist unter euch, wenn er ein einziges Schaf hat und es fällt ihm am Sabbat in eine Grube, der es nicht ergreife und ihm heraushelfe? Wie viel mehr ist nun ein Mensch als ein Schaf"(Matthäus 12,11+12.)

Sowohl durch das Prinzip als auch durch seine Anwendung zeigt Christus die ursprüngliche Bedeutung des Sabbats auf - nämlich als einen Tag, an dem wir Gott durch Interesse und Zuneigung für andere ehren können. Der Gläubige, der am Sabbat die Segnungen der Erlösung empfängt, wird ohne weiteres angetrieben werden, andere zu  "retten" und nicht zu "töten". Die Ankläger Jesu offenbarten durch ihr fehlendes Interesse an dem körperlichen und geistlichen Wohlergehen ihrer Mitmenschen am Sabbat ihr mangelhaftes Verständnis und ihre unzureichende Erfahrung von Gottes heiligem Tag. Anstatt am Sabbat sich an einem Dienst der Rettung an anderen zu beteiligen, beschäftigten sie sich in einer zerstörerischen Weise, suchten nach Fehlern und dachten sich Methoden aus, wie sie Christus töten könnten. (Markus 3,2+6.)

Die Bedeutung des Sabbats im Hinblick auf die Erlösung wird noch deutlicher in der Heilung der verkrüppelten Frau gezeigt (Lukas 13,10-17). Dreimal benutzt der Heiland tatsächlich das Verb "befreien“. Christus sagte zu der Frau, die seit 18 Jahren verkrümmt war: "Weib, sei los von deiner Krankheit" Der Oberste der Synagoge wurde über die Heilung durch Christus zornig. Für ihn bedeutete der Sabbat in erster Linie Regeln, die man befolgen muss, und nicht so sehr Menschen, die geliebt und errettet werden müssen. Um diese letztere Bedeutung des Sabbats zu erklären, wandte sich der Herr zunächst an den Obersten und erwähnte ein rabbinisches Zugeständnis: "Ihr Heuchler! Löst  nicht ein jeglicher unter euch seinen Ochsen oder Esel von der Krippe am Sabbat und führt ihn zur Tränke?" (Lukas 13,15.) Indem Jesus auf diese Vorstellung vom Losbinden eines Tieres aufbaut, zieht er die klare Schlussfolgerung in der Form einer rhetorischen Frage: "Sollte dann diese, die doch Abrahams Tochter ist, welche der Satan  gebunden  hatte nun wohl achtzehn Jahre, nicht von diesem Bande  gelöst  werden am Sabbattage?" (Lukas 13,16.)

Indem Christus vom Geringeren zum Größeren geht, zeigt er, wie der Sabbat in paradoxer Weise verzerrt worden ist. Es war erlaubt, einen Ochsen oder einen Esel von seiner Krippe loszubinden (vielleicht weil die Tiere nach einem Tag ohne Wasser Gewicht verloren und damit einen geringeren Marktwert erzielt hätten), jedoch durfte eine leidende Frau an diesem Tage nicht von ihrem körperlichen und geistlichen Gebrechen befreit werden. Welch eine Verdrehung und Entstellung des Sabbats! Christus musste deshalb am Sabbat bewusst gegen vorhandene falsche Vorstellungen verstoßen, um so diesen Tag zu Gottes ursprünglicher Absicht zurückzuführen.

Zwei im Johannesevangelium berichtete Sabbatwunder (Johannes 5,1-18; 9:1,41) verdeutlichen ferner die Beziehung des Sabbats zu Christi Erlösungswerk. Bei beiden Wundern wurden Menschen geheilt, die chronisch krank gewesen waren: Ein Krüppel, der seit 38 Jahren krank war, und ein von Geburt an Blinder. In beiden Fällen beschuldigten die Pharisäer formell Christus, den Sabbat gebrochen zu haben, weil er dem Krüppel befahl, sein Bett zu tragen, und weil er für den Blinden einen Lehmbrei bereitete. Um sich gegen diesen Vorwurf, den Sabbat gebrochen zu haben, zu verteidigen, machte Christus eine denkwürdige Aussage: "Mein Vater wirket bis auf diesen Tag, und ich wirke auch" (Johannes 5,17; vgl. 9,4).

Einige Kritiker benutzen diesen Text, um die Aussage im ersten Buch Mose zu bezweifeln, dass Gott den Sabbat gehalten habe. Sie behaupten, Christus hätte - indem er sagte, sein Vater wirke bis auf den heutigen Tag als Schöpfer - unausgesprochen verneint, dass Gott jemals die Sabbatruhe der Schöpfung erlebt hätte. Ist diese Auslegung richtig? Bezieht sich Christus auf das schöpferische oder auf das erlösende Handeln Gottes, wenn er von dem Wirken des Vaters bis auf den heutigen Tag spricht? Die Vorstellung einer ununterbrochenen göttlichen Schöpfung - die es zwar im hellenistischen Judentum gab - ist den Lehren des Johannesevangeliums fremd. Nach Johannes sind alle Dinge durch Christus gemacht (Johannes 1,3)- zu einer unbestimmten, fernen Zeit, die als "Anfang" bezeichnet wird. (Johannes 1:1.)

Johannes identifiziert in seinem Evangelium die Werke Gottes mit dem errettenden Dienst Jesu, durch den die Werke Gottes offenbart werden: "Das ist Gottes Werk, dass ihr an den glaubet, den er gesandt hat" (Johannes 6,29; vgl. 5,36; 10,37+38; 14,11; 15,24). Dass die Werke Gottes einen erlösenden Charakter tragen, wird bei der Heilung des Blinden absolut deutlich, da diese Tat ausdrücklich als die Offenbarung der "Werke Gottes" bezeichnet wird. (Johannes 9,3.) Um die Bedeutung der Verteidigung Christi zu verstehen, müssen wir uns in Erinnerung rufen, dass der Sabbat sowohl durch die Schöpfung an den  Kosmos (1. Mose 2,2+3) als auch durch den Exodus an die  Erlösung (5. Mose 5,15; 2. Mose 20,8-10) geknüpft ist. Indem der Israelit alle weltlichen Aktivitäten unterbrach, gedachte er des Schöpfergottes, und indem er seinen Mitmenschen Barmherzigkeit erwies, eiferte er dem Erlösergott nach. Auf der Grundlage dieser von den Juden anerkannten Sabbat-Theologie verteidigt Christus die Gültigkeit der "Werke", die er und sein Vater am Sabbat vollbringen, weil ihre Werke in der Auferweckung der Toten und in einem rettenden Gericht bestehen.

Um die Gegenargumente zum Schweigen zu bringen, fügt Christus geschickt das Beispiel der Beschneidung an (Johannes 7,22-24). Er weist darauf hin, dass - wenn es für die Priester rechtens ist, am Sabbat eines der (nach jüdischer Zahlung) 248 Teile des menschlichen Körpers zu verstümmeln, um so durch den Ritus der Beschneidung die Erlösung des Bundes zu vermitteln - es keinen Grund geben kann, ihm zu "zürnen", wenn er am Sabbat den "ganzen  Körper  des Menschen" heilt. Für Christus ist der Sabbat ein Tag, an dem für die Erlösung des  ganzen  Menschen gearbeitet wird. In der Tat suchte Christus in beiden Heilungsfällen später nach den Geheilten, um ihnen noch am selben Tag in ihren geistlichen Nöten zu helfen. (Johannes 5,14; 9,35-38.)

Wir können also die Schlussfolgerung ziehen, dass die Redewendungen "mein Vater wirkt  bis auf   diesen Tag" (Johannes 5,17) sowie "ich muss wirken die Werke ... solange es Tag ist" (Johannes 9,4), die Jesus benutzt, um seinen befreienden Dienst am Sabbat zu verteidigen, sich nicht auf die Werke der Schöpfung, sondern auf diejenigen der Erlösung beziehen. Gott ruhte bei der Vollendung der Schöpfung, aber wegen der Sünde "wirkt er bis auf diesen Tag", um die Wiederherstellung der Schöpfung zu vollenden.

Diese Bedeutung des Sabbats im Hinblick auf die Erlösung wird außerdem in der Begebenheit des Ährenausraufens durch die Jünger am Sabbat verdeutlicht (Markus 2,23-28; Matthäus 12,1-8; Lukas 6,1-5). Um das Verhalten seiner Jünger gegen den Vorwurf des Sabbatschändens zu verteidigen, bringt Jesus zwei Argumente vor. Erstens weist er darauf hin, dass - wenn David das Recht hatte, seinen Hunger zu stillen, indem er  heiliges Brot aß - es auch für die Jünger erlaubt sei, ihre Bedürfnisse durch Ährenausraufen während der heiligen Zeit des Sabbats zu stillen. Heiliges Brot und heilige Zeit können ausnahmsweise benutzt werden, um menschliche Bedürfnisse zu befriedigen, denn der Zweck des Sabbatgebotes ist nicht, das Leben zu berauben, sondern es zu erhalten (Markus 2, 27). Als zweites Argument greift Christus das Beispiel der Priester auf. Er weist darauf hin, dass die Priester am Sabbat sogar vermehrt im Tempel arbeiten müssen (4. Mose 28,9+10) und eine Menge Tätigkeiten ausüben, die dem gewöhnlichen Menschen nicht erlaubt waren. Und doch sind sie "ohne Schuld" (Matthäus 12,5), da ihre Arbeit am Sabbat in Beziehung zur Erlösung steht und darauf ausgerichtet ist, bedürftigen Sündern Vergebung und Erlösung zu vermitteln. Weil Christus, der gekommen war, um den Zweck und die Dienste des Tempels zu erfüllen, größer als der Tempel ist (Matthäus 12,6), kann er auch berechtigterweise seinen Dienst der Erlösung für bedürftige Sünder am Sabbat verstärken; und was er tut, gilt auch für seine Nachfolger.

Für Christus bedeutet der Sabbat "Barmherzigkeit und nicht Opfer" (Matthäus 12,7) - das Denkmal der göttlichen Befreiung sowohl aus der Knechtschaft Ägyptens (5. Mose 5,15) als auch aus den Ketten der Sünde (Lukas 5,18-19; 13-16; Johannes 5,17). Die von Jesus aufgestellte Reihenfolge wahrer Sabbatheiligung erfordert zuerst einen lebendigen und liebevollen Dienst an den menschlichen Bedürfnissen und erst dann die Erfüllung kultischer Verordnungen.

Im Lichte dieser grundlegenden Bedeutung des Sabbats hinsichtlich der Erlösung sollten wir auch den Sinn von Christi Aufforderung bedenken, die von Matthäus als Vorwort zu der Begebenheit berichtet wird, die wir soeben betrachtet haben. Der Heiland sagt: "Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht." (Matthäus 11,28-30.)

Was ist das für eine  Ruhe, die Christus jenen verheißt, die zu ihm kommen und von ihm lernen? Mehrere Ausleger erwähnen, dass Christi Äußerung offensichtlich an einem Sabbat gemacht wurde, da sie mit dem folgenden Vers in Verbindung steht ("zu der Zeit", Kapitel 12,1), der die oben erwähnte Sabbat-Episode einleitet. Es besteht deshalb die Möglichkeit, dass die von Jesus verheißene Ruhe "die anapausis-Ruhe des wahren Sabbats ist", wie J. Danielou es ausdrückte. In diesem Fall würde Christi Sabbatruhe als ein "sanftes Joch" und eine "leichte Last" angesehen werden - vielleicht im Gegensatz zu dem Joch der rabbinischen Sabbatgebote, die schwer auf dem Volk lasteten.

Was ist dann diese neue "Sabbatruhe", die Christus allen anbietet, die sich vergeblich abmühen, um durch die Erfüllung von bedrückenden Gesetzesvorschriften Ruhe für sich zu erlangen? Da wir bereits erkannten, dass Jesus den Sabbat zu einem passenden Symbol seiner erlösenden Mission machte, kann mit seiner Sabbatruhe, die beladenen Seelen verheißen wird, nicht eine Reihe von neuen oder einfacheren Regeln, wie man den Sabbat gestalten soll, gemeint sein, sondern eine umfassendere Erfahrung der Segnungen der Erlösung an diesem Tag. Christus bietet durch die Sabbatruhe nicht nur körperliche 'Entspannung an, sondern auch den Frieden, und die Freude seiner Vergebung und Erlösung.

Diese Bedeutung des Sabbats hinsichtlich der Erlösung wird auch im Hebräerbrief erwähnt (Hebräer 4,2-11), wo das Volk Gottes die Verheißung der bleibenden Segnungen der "Sabbatruhe" erhält und aufgefordert wird, diese anzunehmen. Der Schreiber lehnt eine zeitliche Interpretation der Sabbatruhe im Sinne des Eingangs in das Land Kanaan ab (5. Mose 12,9; 25,19), indem er darauf hinweist, dass das Land, das Josua den Israeliten gab, nicht die "Sabbatruhe" ist, die Gott seinem Volk seit der Schöpfung anbietet. Diese Ruhe kann jeder erfahren, der glaubt und gehorcht und "heute" die "gute Nachricht" der Erlösung annimmt.

Die Sabbatruhe, die für das Volk Gottes noch vorhanden ist, ist für den Schreiber des Hebräerbriefes keine sichtbare Erfahrung, die ausschließlich dem jüdischen Volk vorbehalten war, sondern vielmehr ein beständiger geistlicher Segen, der allen zugänglich ist, die im Glauben in Gottes Ruhe eintreten. (Hebräer 4,2+3+11.)

Dieser kurze Überblick über die Bedeutung und den Zweck des Sabbats hinsichtlich der Erlösung hat gezeigt, dass dieser Tag das erste und aufschlussreichste Symbol der barmherzigen Anteilnahme Gottes an seinen Geschöpfen ist. Der Sabbat hat in einer vollkommenen göttlich-menschlichen Beziehung, der er würdigen Ausdruck verleiht, seinen Ursprung, wo Gott seine Geschöpfe nicht nur mit sichtbaren Dingen, sondern auch mit seiner heiligen Gegenwart segnete. Nach dem Sündenfall wurde der Sabbat zu verschiedenen Zeitpunkten im Fortgang des Erlösungswerkes neu betont, um dem Volk Gottes die Verheißung der endgültigen Wiederherstellung zu schenken.

Die höchste Offenbarung der Bedeutung des Sabbats im Hinblick auf die Erlösung erkennen wir in den messianischen Ansprüchen Christi und in seinem sabbatlich geprägten Dienst. Jesus verkündigte nicht nur seine Mission als die Erfüllung der Sabbatprophezeiungen der Erlösung (Lukas 4,18+19), sondern er vertiefte auch am Sabbat seine Werke der Erlösung (Johannes 5,17; 9,4) zum Wohl und Heil von bedürftigen Sündern, so dass Seelen, die "Satan gebunden hatte" (Lukas 13,16), den Sabbat als Tag ihrer Befreiung erfahren und in Erinnerung behalten konnten. Darüber hinaus vollendete Christus sein Erlösungswerk auf dieser Erde an einem Freitagnachmittag, und indem er das "Es-ist-vollbracht" aussprach (Johannes 19,30), heiligte er den Sabbat und ruhte im Grab (Lukas 23,53+54; Matthäus 27,57-60; Markus 15,42+46).

Wie die Sabbatruhe am Ende der Schöpfung die Genugtuung und Freude der Gottheit über eine beendete und vollkommene Schöpfung zum Ausdruck brachte, so bekundet die Sabbatruhe am Ende des irdischen Dienstes Christi das Frohlocken der Gottheit über die beendete und vollkommene Erlösung, die dem Menschen geschenkt wird. Im Lichte der Verkündigung und des Dienstes Jesu fasst der Sabbat die Segnungen der Erlösung zusammen, die der Heiland den von Sünden beladenen Seelen anbietet. Der Gläubige, der am Sabbat mit seinem Tun  aufhört, um durch die göttliche Gnade sein  Erlöstsein  zu erfahren, verzichtet darauf, durch menschliche Anstrengungen seine eigene Erlösung zu erarbeiten und anerkennt Gott als den Anfänger und Vollender seiner Erlösung.

                         

Prof. Dr. Samuele Bacchiocchi - aus: Specktrum, Band 9, November 1977